Auf den Spuren der Gestapo in Köln
„[E]rlauben wir uns, Sie hiermit vom Ableben des Ihnen bekannten Trafikanten Herrn Otto Trsnjek in Kenntnis zu setzen. Herr T. ist in der Nacht vom 14. Mai in den Räumlichkeiten der Gestapo-Leitzentrale, Wien 1, Morzinplatz 4, seinem nicht näher zu bestimmenden Herzleiden erlegen.“
Dieses Zitat entstammt dem Werk „Der Trafikant“ von Robert Seethaler, das im Deutschunterricht der Oberstufe auf dem Lehrplan steht. Doch genau so klingen auch die unzähligen Dokumente im NS-DOK im EL-DE-Haus, dem ehemaligen Gestapo-Gefängnis in Köln. Begleitend zur Lektüre des Adoleszenzromans, welcher das kurze Leben des 17-jährigen Franz im Wien des Nationalsozialismus beschreibt, besuchten alle Deutschkurse des 12. Jahrgangs #unsererGHS das Dokumenationszentrum in Köln. Die Gedenkstätte zeigt unzählige Original-Bilder und -Dokumente aus der Zeit des Hauses im Dritten Reich, und vor allem die dunklen Zellen im Keller, in denen politische Gefangene unter unmenschlichen Bedingungen hausten, gefoltert oder hingerichtet wurden.
Während die Schüler*innen beim Lesen der Schullektüre in die Figur des Franz eintauchen können, um das Leben in der Zeit des Nationalsozialismus zu verstehen, sehen und erfahren sie beim Besuch des NS-Dokumentationszentrums selbst am Ort des grausamen Geschehens, wie die Nazis mit denen umgingen, die sich gegen sie wandten oder einfach bloß nicht für sie waren. Neben unzähligen Akten, Schreibzeugnissen, Text- und Fotobelegen, die in der Gedenkstätte ausgestellt sind, erschüttern vor allem die Wandkritzeleien in den Zellen, die niemals übermalt wurden und so Zeuge sind für das Grauen der Zeit. Sie fangen die Gedanken der Inhaftierten ein, ihre Ängste und Hoffnungen. Den Widerstand der Menschen versuchten die Nazis auch mithilfe von Folter zu brechen. Die Opfer steckte man in enge Zellen unter katastrophalen Bedingungen, mit einzelnen Fenstern zur Straße. Und sie richteten Menschen hin, durch Erschießungen im Hinterhof – keiner konnte sagen, man habe es nicht gewusst!
Die Schüler*innen lauschten lange den Erklärungen und Erläuterungen der Mitarbeiter*innen des EL-DE-Hauses. Sie sahen die Zellen, lasen die Wandkritzeleien, betrachteten die Bilder und stellten weitere Fragen. Am Ende waren alle doch froh, das ehemalige Gestapo-Gefängnis wieder verlassen zu können. Vor 80 Jahren, in der dunklen Zeit des Nationalsozialismus, konnten viele Menschen das nicht. Auch der Freund und Mentor des Trafikanten Franz aus dem Roman starb im Gestapo-Gefängnis. Das Werk aus dem Deutschunterricht ist Pflicht im Abitur. Doch man kann viel mehr daraus lernen: über den Nationalsozialismus, über das Wegsehen und die Verantwortung zum Widerstand, über Grausamkeit und über Menschlichkeit. Die Lektüre im Schulunterricht ergänzten wir durch den Besuch des ehemalige Gestapo-Gefängnisses im EL-DE-Haus in Köln, nicht nur, um etwas für das Deutsch-Abitur zu lernen, sondern um Erfahrungen zu machen, die weit über das Abi hinaus reichen.
Nach dem Besuch des Dokumentationszentrums gingen Schüler*innen noch auf Spurensuche. Mithilfe der „Stolpersteine-App“ fanden sie nicht nur die Mahnmale in Steinform, sondern erfuhren auch mehr über die Geschichte der Menschen, an welche die Stolpersteine erinnern. Wir werden uns alle noch lange erinnern an diesen denkwürdigen Tag. Und andere ermahnen, richtig zu handeln: menschlich, couragiert, Hass und Rassismus ablehnend. Wir sind Schule ohne Rassismus und Schule mit Courage – wir sind Gustav!
Gefördert wurde das Projekt von der lokalen Partnerschaft für Demokratie im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie leben! des Bundesfamilienministeriums.